Samstag, 21. Februar 2015

Gin Tonic 2

Gin Tonic

Wir kommen in der Diskothek an, es riecht nach Sex, Schweiß und Nikotin. Als ich 16 war bin ich oft hier gewesen, habe meinen Körper an halbnackte Frauen gerieben, jetzt sitze ich an der Bar und trinke einen Gin Tonic nach dem anderen, die Mädchen vergnügen sich lachend auf der Tanzfläche und von Jake ist keine Spur. "Kann ich deinen Ausweis sehen, Junge?" Ich wende mich dem Barkeeper zu, nicke und reiche ihm meinen Ausweis, er zieht die Brauen hoch und gibt ihn mir zurück. "Patch Valentin Scott.." Jeder hat es in der Zeitung gelesen, mein Privatleben wurde sogesehen auf einem Presentierteller serviert. Inzwischen lässt es mich kalt, aber kurz nach dem Unfall war ich wie gelähmt, als jeder mich danach gefragt hat. Ich werde auch heute noch in den Supermärkten angesehen, ihre Blicke sind voller Mitleid, wenn ich sie erwidere, sehen sie beschämt weg. Ich bestelle mir noch einen Gin Tonic, das Getränk ist kalt, ich genieße jeden Schluck. Ein Mädchen stupst mich sanft mit der Hüfte an und ich wende mich ihr zu, sie riecht gut, ist aber nicht mein Fall. Frauen sind generell nicht mein Fall. Mama hat geweint, als ich ihr erzählt habe, dass ich schwul sei, aber sie hat auch gesagt, dass sie mich trotzdem liebt, auch wenn ich ihr niemals Enkelkinder schenken würde. Jetzt so wieso nicht mehr. "Tanz mit mir, Bambi." Ich muss lachen. "Bambi?" Sie lächelt und setzt sich auf meinen Schoß, sie ist leicht wie eine Feder. "Ja, du hast so große Augen, man verliert sich förmlich darin." Ich freue mich über dieses Kompliment, lange Zeit her, dass ich sowas gehört habe. "Dankeschön, du bist eine schöne Frau. Aber ich bin schwul." Sie lacht wieder. "Gut, ich bin eine Lesbe." Meine Augen weiten sich und schon zieht sie mich vom Hocker, ihre Hüften reiben sich in sanften Schwüngen an meinen, während wir das Gefühl haben über die Tanzfläche zu schweben. Es ertönt "Monster" von Rihanna und wir tanzen eng umschlungen. Aus dem Augenwinkel kann ich einen Blick auf Jake erhaschen, er sieht uns zu, mustert uns, verzieht den Mund und setzt sich an die Bar. Sie zieht meinen Ärmel hoch und blinzelt, als sie die ganzen Narben an meinen Armen entdeckt. "Das.. tut mir leid.", flüstert sie mir ins Ohr und ich lächele sanft. "Das Kapitel ist abgeschlossen." Sie küsst jede einzelne Narbe, lächelt mich dann wieder an und legt ihre rechte Hand auf meine Brust. "Ich glaube du bist ein guter Junge. Sieht dein ganzer Körper so aus?" Mein ganzer Körper besteht aus Brandnarben, aus Narben, die ich mir selbst zugefügt habe. Ich habe mit niemanden darüber gesprochen, nicht mal mit Linz, ich glaube sie weiß nicht mal etwas davon. "Komm, ich gebe dir einen aus." Wir stellen uns an die Bar und ich bestelle mehrere Gin Tonics, Jake würdigt mich keines Blickes. Was ist eigentlich sein Problem? Das frage ich mich schon den ganzen Abend, aber die Gedanken werden mit einem mal weggeblasen, als das kalte Getränk meinen Hals herunterrinnt. "Ich habe dir meine Nummer auf den Arm geschrieben. Ich heiße Mims, ich muss jetzt los, man schreibt sich." Und dann ist sie fort. Ich bin mir sicher, dass ich sie wieder sehen werde. Ich setze mich auf einen Hocker, neben dem schwarzhaarigen, mürrischen Kerl. "Du bist nicht gesprächig oder?", frage ich sanft, was mich selbst wundert. Ihn anscheinend auch, denn seine Augen weiten sich leicht. "Nun ja. Leute die ich nicht kenne.. noch nicht.. da bin ich nicht so aufgeschlossen. Ich bin nur wegen meiner Schwester hier, ich will nicht, dass sie Dummheiten anstellt." Julia ist ein flippiges Ding, das habe ich schon an meiner Tür festgestellt. "Ja. Damals bin ich auch wegen Linz mitgegangen, aber irgendwann habe auch ich Gefallen daran gefunden." Er schiebt mir einen Gin Tonic rüber, ich habe bereits aufgehört zu zählen. "Wir können uns besser kennen lernen, wenn du das möchtest.", meine ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht und Jake muss lachen. Er hat ein wundervolles Lachen. So ganz anders, sowas habe ich noch nie gehört. So sauber, aber ich weiß, dass man sich an ihm die Finger verbrennen würde. "Gern. Was hast du morgen vor?" Achso. Wieder muss ich lachen, ich glaube ich habe einen über den Durst getrunken. "Bis jetzt noch nichts." Er schiebt mir noch einen Drink rüber, ich verschlinge das Gesöff förmlich. "Magst du Kaffee?" Ich muss lächeln. Das erweckt schöne Erinnerungen. "Ich liebe Kaffee." Er nickt. " Gut, ich hol dich morgen früh um 12 ab." Ich tippe es in mein Handy ein, das ist ein Highlight, ich habe das Gefühl mein Leben hat sich gerade um 180 Grad gewendet. Dennoch bin ich misstrauisch. Wann kommt das nächste Tief? Wann liege ich wieder mal blutüberströmt in der Badewanne und will mein Leben beenden? ....
Als ich aufwache dreht sich alles, mein Oberteil ist abhanden gekommen, mir ist kalt, ich zitter. Wo ist Linz? Ich neige den Kopf, alles dreht sich. Dumpfe Musik erfasst mich und ich muss würgen. Nein, nicht kotzen. Bitte nicht. Nicht kotzen. Ich sage es mir immer wieder, bis ich mich besser fühle. Dann rappel ich mich auf und taumel durch die Menge. Wo ist Jake? Und wo ist Julia? Haben sie mich allein gelassen? Was habe ich getan? Verwirrt und etwas verängstigt sehe ich mich um, dann legt sich eine kalte Hand auf meine Schulter, dann eine Jacke, warmer Atmen an meinem Ohr. "Ich glaube du hast zu viel getrunken. Linz und Julia sind auch total fertig. Wir bringen dich nach Hause." Ich nicke bloß, meine Beine versagen, aber bevor ich auf dem Boden aufschlage, ziehen mich starke Arme wieder hoch. Dann ist der Boden plötzlich weg. Wo ist er hin? Dann sehe ich in blaue Augen, sie sind so dunkel, so geheimnisvoll. Dann sehe ich schmale Lippen. Ich will sie küssen, Jakes Mund verzieht sich zu einem Grinsen. "Linz hatte Recht." Mehr als das ich ins Auto getragen werde weiß ich nicht mehr. Das war wohl ein Gin Tonic zu viel.

- The Black Crow -

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